„Vertraue Dir selbst, dann kannst Du auch anderen vertrauen!“
Gespräch mit der 18-jährigen Viola über ihre Erfahrungen in der Reha
Als Säugling hatte Viola vermutlich eine Hirnhautentzündung. Seitdem leidet die heute 18-Jährige an einer Spastik und kann ihre linke Körperhälfte schlecht kontrollieren. Nach diversen Operationen in ihrem Herkunftsland kam Viola vor knapp sieben Jahren mit ihrer Familien aus dem Irak nach Berlin. Auch hier wurde sie dreimal operiert. Viola kann alleine stehen, ansonsten nutzt sie einen Rollstuhl, um mobil zu sein.
Vor kurzem hat Viola eine mehrwöchige Reha in der VAMED Klinik Hohenstücken in Brandenburg gemacht. Die Klinik ist auf die Behandlung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit neurologischen Erkrankungen spezialisiert. Unsere Mediatorin Awan hat die Familie bei der Antragstellung unterstützt. Nun ist Viola bereit, mit uns über ihre Erfahrungen in der Reha zu sprechen. Wir wollen wissen, wie für Viola neben Behandlungen und Therapien der Alltag in der Klinik war und was ihr der Aufenthalt dort konkret gebracht hat. Ende November besuchen wir, Anette Metzger und Humda Qamar, die beiden Standortkoordinatorinnen aus Hamburg und Berlin, Viola in der Wohnung der Familie in Berlin-Neukölln.
Viola, Du hast 2019 schon einmal eine Reha gemacht. Wann habt Ihr als Familie zum ersten Mal über das Thema Reha gesprochen?
Zuerst haben wir gar nicht gewusst, dass es so etwas überhaupt gibt. Wir hatten damals eine Familienhelferin und die hat uns davon erzählt. Dann haben wir mit der AOK gesprochen. Im Dezember 2019 bin ich zum ersten Mal drei Wochen in die Reha gegangen. Damals mit meiner Mutter, weil ich mich nicht getraut haben, allein in die Klinik zu gehen.
Vor kurzem hast Du Deine zweite Reha ganz alleine absolviert. Was waren Deine schlimmsten Befürchtungen?
Als ich gehört habe, dass ich allein in die Reha gehen soll, habe ich geweint. Ich wollte nicht. Das war für mich schwierig. Aber dann habe ich entschieden, dass ich es versuche und es hat gut geklappt. Das muss ich sagen (lacht).
Was hat Dir Sorgen gemacht?
Seit 18 Jahren versorgt mich meine Mutter. Sie macht alles für mich. Es war für mich schwer, dass ein anderer Mensch meinen Körper sieht und mich bei den alltäglichen Dingen, wie Waschen, Anziehen, Zurechtmachen berührt. Ich habe kein Vertrauen in andere Menschen gehabt. Als ich allein in die Klinik gegangen bin, waren die ersten beiden Tage daher schwierig. Ich konnte nicht sagen, was ich möchte, was nicht und was ich brauche. Aber das hat nach kurzer Zeit gut geklappt, weil ich mehr Vertrauen hatte und mich getraut habe dem Pflegepersonal zu sagen, wenn ich Hilfe brauche.
Hast Du andere Jugendliche in Deinem Alter kennengelernt?
Nein, ich wollte lieber für mich allein sein und war deshalb auf der Kinderstation untergebracht. Ich war mit einem kleinen Mädchen zusammen in einem Zimmer und sie war wie eine Schwester für mich. Die war ganz lieb und ich habe nach den Therapien ein bisschen mit ihr gespielt. Das war toll. Ich vermisse sie richtig. Sie ist eine Woche vor mir entlassen worden. Danach habe ich mein Zimmer mit einem fünfzehnjährigen Mädchen geteilt und wir schreiben uns heute noch. Und ich habe mich mit einem gleichaltrigen Praktikanten angefreundet. Immer wenn mir langweilig wurde, haben wir Uno oder Karten gespielt. Das fand ich gut.
Was hast Du sonst in Deiner Freizeit in der Klinik gemacht?
Ich habe mir Bücher mitgenommen. Und die haben mich abgelenkt und beschäftigt, damit ich nicht immer nur am Handy sitze.
Was hat Dich am meisten in der Klinik überrascht?
Ich selbst habe mich am meisten überrascht. Ich habe vorher nicht gewusst oder nicht darüber nachgedacht, was ich alleine schaffen kann und was nicht. Wobei brauche ich Hilfe, wobei nicht? Und dass alles so gut geklappt hat, das hat mich am meisten überrascht.
Was hast Du aus der Klinik mit nach Hause genommen?
Ich arbeite jetzt mehr allein. Früher war ich vielleicht ein bisschen faul und habe immer meine Mutter gebeten, Sachen für mich zu machen. Ich habe gelernt, selbstständiger zu sein. Zum Beispiel kämme ich jetzt selbst meine Haare und ziehe mich allein an. Auch wenn das noch ein bisschen länger dauert. Aber egal, das kann ich bald schneller.
Was würdest Du einer Familie sagen, die Angst davor hat mit einem Kind zusammen in die Reha zu gehen?
Ich würde der Familie sagen, dass in so einer Klinik viele nette Leute sind, auch Erzieherinnen, die den Kindern viele Sachen beibringen. Und ich finde gut, wenn Kinder nicht immer nur bei ihren Eltern bleiben, denn wenn man immer nur mit seinen Eltern zusammen ist, hilft das nicht für die Zukunft.
Was würdest Du Jugendlichen sagen, die nicht alleine in die Klinik gehen wollen?
Ich würde denen sagen: Du musst erstmal Dir vertrauen, darauf vertrauen, dass Du mehr kannst, als Du denkst. Vertraue Dir selbst, dann kannst Du auch anderen vertrauen!
Herzlichen Dank für das Gespräch.